Erstellt am: 22.08.2020
Viele Eheleute gehen davon aus, dass der überlebende Ehegatte automatisch den gesamten Nachlass des anderen erbt und errichten deshalb kein Testament. Erst nach dem Tod eines Ehepartners stellt sich dann heraus, dass diese Annahme nicht richtig war. Auch bei einer kinderlosen Ehe ist der Ehepartner ohne eine letztwillige Verfügung meist nicht der Alleinerbe.
Ohne ein Testament greift die gesetzliche Erbfolge. Wie viel der Ehepartner beim Erbfall bekommt, hängt davon ab, ob Kinder oder andere nähere Verwandte des Erblassers als gesetzliche Erben da sind. Außerdem entscheidet der Güterstand, in dem die Eheleute gelebt haben, mit über die Höhe des Erbteils.
Die gesetzliche Erbfolge führt selten zu der Nachlassverteilung, die die Ehegatten sich gewünscht haben. Ist der Ehepartner Alleinerbe, so ist es für ihn ohne Testament schwieriger an den Nachlass zu kommen, da Banken dann in der Regel die Vorlage eines Erbscheins fordern.
Der überlebende Ehegatte ist gesetzlicher Erbe (§ 1931 BGB).
Die anderen gesetzlichen Erben teilt das Gesetz in verschiedene Ordnungen ein. Neben Ehegatten können gesetzliche Erben der ersten, zweiten oder dritten Ordnung erben.
Erben höherer Ordnungen erben nur, soweit keine Erben niedrigerer Ordnung vorhanden sind (§ 1930 BGB). Je höher die Ordnung der vorhandenen Miterben, desto entfernter ist die Verwandtschaftsbeziehung zum Erblasser und umso höher ist die Erbquote des überlebenden Ehegatten.
Bei der gesetzlichen Erbfolge erbt der überlebende Ehepartner nur dann den Nachlass allein, wenn beim Erbfall keine Erben erster oder zweiter Ordnung vorhanden sind und auch keine Großeltern als Erben dritter Ordnung (§ 1931 Abs. 2 BGB).
Nur Verwandte der ersten drei Erbordnungen können neben dem Ehepartner erben.
Zu den gesetzlichen Erben erster Ordnung (§ 1924 BGB) gehören diejenigen, die vom Erblasser abstammen. Also die Kinder, die Enkel und Urenkel und die weiteren Abkömmlinge. Ob die Kinder ehelich geboren sind, spielt keine Rolle. Adoptivkinder sind ebenfalls Erben erster Ordnung. Stiefkinder und Pflegekinder gehören nicht dazu.
Zu den gesetzlichen Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB) gehören die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (die Geschwister des Erblassers, seine Nichten und Neffen und deren Kinder usw.).
Zu den gesetzlichen Erben dritter Ordnung (§ 1926 BGB) gehören die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel und Tanten des Erblassers, seine Cousins und Cousinen usw.). Die Abkömmlinge der Großeltern sind neben Ehegatten allerdings nicht erbberechtigt. Sind beim Erbfall keine Erben der ersten oder zweiten Ordnung mehr vorhanden und alle vier Großelternteile des Erblassers bereits vorverstorben, erbt der Ehepartner allein. Falls nur ein Teil der Großeltern vorverstorben ist, gehen deren Anteile nicht auf deren Kinder, Enkel oder Urenkel über, sondern erhöhen die Erbquote des Ehegatten (§ 1931 Abs. 1 BGB).
Sind beim Erbfall Kinder des Erblassers als gesetzliche Erben vorhanden, erbt der Ehepartner bei der gesetzlichen Erbfolge bei Gütergemeinschaft ein Viertel des Nachlasses. Ebenso wenn die Kinder beim Tode des Ehepartners bereits vorverstorben sind, aber noch Enkel, Urenkel oder entferntere Abkömmlinge als gesetzliche Erben der ersten Ordnung da sind.
Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wird der Zugewinn pauschaliert ausgeglichen. Der Erbteil des Ehepartners erhöht sich um ein Viertel der Erbschaft, unabhängig davon, ob der verstorbene Ehepartner den höheren Zugewinn erzielt hat (§ 1371 Abs. 1 BGB). Der überlebende Ehepartner erbt also die Hälfte des Nachlasses.
Bei Gütertrennung hängt die Erbquote des überlebenden Ehepartners von der Anzahl der Kinder des Erblassers ab. Hatte der Erblasser ein Kind, so erbt der Ehepartner die Hälfte. Bei zwei Kindern erben der Ehepartner und die beiden Kinder je ein Drittel. Bei drei oder mehr Kindern erbt der Ehepartner ein Viertel. Die Kinder erhalten zu gleichen Teilen die übrigen drei Viertel.
War der Ehepartner kinderlos oder sind alle seine Kinder vorverstorben und auch keine Abkömmlinge der Kinder vorhanden, erben die Eltern des Erblassers (gesetzliche Erben zweiter Ordnung) neben dem Ehepartner. Der Anteil des Ehepartners beträgt in diesem Fall - mindestens - die Hälfte des Nachlasses. Die andere Hälfte entfällt auf die Eltern bzw. deren Abkömmlinge.
Sind beide Elternteile vorverstorben und auch keine Abkömmlinge der Eltern mehr da, jedoch noch ein oder mehrere Großelternteile (als gesetzlicher Erbe dritter Ordnung), so beträgt der Erbteil des Ehepartners ebenfalls - mindestens - die Hälfte des Nachlasses. Auf jedes der vier Großelternteile entfällt ein Achtel des Nachlasses. Für jedes Großelternteil, welches bereits vorverstorben ist, erhöht sich der Anteil des Ehepartners um ein Achtel. Sind keine Großelternteile beim Erbfall mehr am Leben, erhält der Ehepartner auch die andere Hälfte des Nachlasses und erbt damit allein.
Schlägt einer der gesetzlichen Erben die Erbschaft beim Nachlassgericht aus, erhält den Anteil derjenige, der geerbt hätte, wenn der Ausschlagende beim Erbfall nicht gelebt hätte. Der Ehegatte erhält nur einen höheren Erbteil, wenn sämtliche in Frage kommenden gesetzlichen Erben der jeweiligen Ordnung das Erbe ausschlagen.
Der Ehepartner hat neben seinem gesetzlichem Erbteil Anspruch auf den sog. Voraus (§ 1932 BGB). Neben den Haushaltsgegenständen zählt zum Voraus auch das von beiden Eheleute genutzte Auto. Nicht dazu gehören z.B. die Kleidung und der Schmuck des Erblassers und die Gegenstände, die für seine Berufstätigkeit bestimmt waren. Der Umfang des Voraus hängt davon ab, ob der Ehegatte neben gesetzlichen Erben der ersten Ordnung (z.B. Kindern, Enkeln des Erblassers) erbt oder neben gesetzlichen Erben der zweiten oder dritten Ordnung (Eltern, Geschwistern, Großeltern). Erbt er neben Kindern oder anderen Abkömmlingen des Erblassers, so ist der gesetzliche Voraus eingeschränkt. Anspruch auf den Voraus besteht dann nur, soweit die Gegenstände zur angemessenen Haushaltsführung benötigt werden.
Der rechtskräftig geschiedene Ehepartner ist nicht mehr gesetzlicher Erbe.
Hat der Erblasser die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag des anderen Ehegatten zugestimmt, so entfällt das Erbrecht des Ehegatten auch schon vor Abschluss des Scheidungsverfahrens, wenn zum Todeszeitpunkt die Voraussetzungen für die Scheidung gegeben waren (§ 1933 BGB). Auch der Anspruch auf den sog. Voraus entfällt in diesem Fall. Der überlebende Ehepartner kann aber trotzdem einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt und auf Zugewinnausgleich gegen die Erben haben.
Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören ausschließlich der Ehegatte, die Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers (§ 2303 BGB).
Wurde der Ehegatte testamentarisch enterbt, so hat er Anspruch gegen die Erben auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (ohne die Erhöhung durch die Zugewinngemeinschaft) sowie Anspruch auf Ausgleich des konkret entstandenen Zugewinns.
Wurden die Abkömmlinge bzw. die Eltern durch den Erblasser enterbt, so haben diese trotzdem noch Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil.
Eingetragene Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes haben nach § 10 LPartG ein gesetzliches Erbrecht beim Tod des Lebenspartners. Der Umfang entspricht dem Erbrecht eines Ehepartners.
Lebensgefährten in einer Lebensgemeinschaft haben dagegen auch bei einer langjährigen Beziehung kein gesetzliches Erbrecht.