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Rechtliche Wege zur Scheidung ohne Zustimmung des Ehepartners

- 26.06.2025 -

Die Vorstellung, dass der Ehepartner der Scheidung zustimmen muss, damit diese vom Familiengericht ausgesprochen wird, hält sich hartnäckig. Das entspricht aber nicht der aktuellen Rechtslage.

Gerade wenn der Wunsch nach einer Beendigung der Ehe einseitig besteht, sorgt das Verhalten des anderen Partners häufig für Verunsicherung: "Was ist, wenn mein Mann (oder meine Frau) die Scheidung einfach nicht will?" Tatsächlich ist es in Deutschland möglich, sich auch gegen den Willen des Ehepartners scheiden zu lassen.

Das Familienrecht orientiert sich seit über 40 Jahren am sogenannten Zerrüttungsprinzip. Das bedeutet: Entscheidend ist nicht mehr das Verschulden an der Trennung, sondern allein, ob die Ehe als gescheitert gilt.

Die Verweigerung der Zustimmung kann das Verfahren erschweren, aber nicht dauerhaft blockieren. Welche Rechte, Nachweispflichten und Fristen in solchen Fällen gelten, erläutert dieser Artikel.

1. Rechtsgrundlagen für die Scheidungsvoraussetzungen

Die wesentlichen Bestimmungen zur Scheidung finden sich in den §§ 1564-1568 BGB.

Das Zerrüttungsprinzip (§ 1565 BGB) besagt, dass eine Ehe geschieden werden kann, wenn sie gescheitert ist. Gescheitert ist eine Ehe, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass sie wiederhergestellt wird. Weitere Scheidungsvoraussetzungen gibt es nicht.

Für die praktische Umsetzung des Zerrüttungsprinzips enthalten § 1566 BGB ("Vermutung des Scheiterns") und § 1565 Abs. 2 BGB ("Härtefallklausel vor Ablauf des Trennungsjahres") wichtige Details.

2. Keine Scheidung ohne Trennungsjahr

Voraussetzung für die Scheidung ist, dass die Eheleute überhaupt getrennt leben. Kann das Familiengericht beim Scheidungstermin kein Getrenntleben der Eheleute feststellen, wird es die Scheidung nicht aussprechen.

Praxisbeispiel: Herr S. hat aus Verärgerung über Frau S. die Scheidung eingereicht. Er übernachtet aber nach wie vor in der Ehewohnung und lässt sich von der Ehefrau jeden Tag bekochen. Diese erledigt für beide die Einkäufe und den Haushalt. Die Ehefrau stimmt dem Scheidungsantrag im Termin zwar zu, bestreitet aber die Trennung, weil die eheliche Lebensgemeinschaft nach wie vor besteht. Das Familiengericht weist den Scheidungsantrag ab.

Vor einer Scheidung sieht das Gesetz auch grundsätzlich eine Mindestdauer für die Trennung vor: das sogenannte Trennungsjahr (§ 1566 Abs. 1 BGB). Die Ehegatten müssen beim Scheidungstermin mindestens ein Jahr getrennt leben.

Dies kann - gerade bei angespanntem Wohnungsmarkt oder gemeinsamen Kindern - auch in derselben Wohnung erfolgen, solange eine strikte räumliche und wirtschaftliche Trennung nachweisbar ist. Was problematisch wird, wenn die Gegenseite das Getrenntleben in der gemeinsamen Wohnung bestreitet.

Der Nachweis des Trennungsjahres erfolgt typischerweise durch Zeugenaussagen, Nachweise über getrennte Konten, abweichende Meldeadressen oder schriftliche Erklärungen über den Trennungszeitpunkt. Lehnt der andere Partner die Scheidung ab, prüft das Gericht diese Nachweise besonders sorgfältig.

Kurze Versöhnungsversuche (max. drei Monate) unterbrechen das Trennungsjahr nicht. Bei übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten zum Ablauf des Trennungsjahres legt das Gericht diese Angaben i. d. R. ohne weitere Prüfung seiner Entscheidung zugrunde.

Das Erfordernis des Trennungsjahrs soll voreilige Entscheidungen vermeiden und eine Bedenkzeit ermöglichen.

3. Voraussetzungen für eine Scheidung ohne Zustimmung

Der Gesetzgeber verlangt für eine Ehescheidung, dass die Ehe als gescheitert gilt. Das Scheitern der Ehe muss nach außen sichtbar und nachvollziehbar sein. Durch zwei getrennte Wohnungen oder durch getrennte Wohnbereiche ("Trennung von Tisch und Bett"), fehlende gemeinsame Aktivitäten und eine vollständige wirtschaftliche Entflechtung der Eheleute. Ein "Verschulden" an der Trennung spielt keine Rolle mehr.

Nach Ablauf des Trennungsjahres kann ein Ehegatte auch ohne Zustimmung des anderen geschieden werden.

Stimmt der Ehepartner der Scheidung nicht zu und stellt er auch keinen eigenen Scheidungsantrag, greift - anders als bei Zustimmung oder eigenem Scheidungsantrag - keine gesetzliche, unwiderlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe. In diesem Fall muss vor Gericht dargelegt und nachgewiesen werden, dass die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig zerrüttet ist und nicht wieder hergestellt werden kann (§ 1565 Abs. 1 BGB). Das Familiengericht prüft dann, ob die Ehe gescheitert ist und hört die Beteiligten dazu an.

Wenn der antragstellende Ehepartner in der Anhörung glaubhaft versichert, keinen Willen mehr zur ehelichen Lebensgemeinschaft zu haben, und das Gericht daran nicht zweifelt, reicht das aus. Denn die eheliche Lebensgemeinschaft kann nur dann wiederhergestellt werden, wenn beide Ehepartner dazu bereit sind.

Die verweigerte Zustimmung führt zu Mehrarbeit des Familiengerichts, ist aber kein Hindernis für eine Scheidung. Der Richter muss in diesem Fall in der Entscheidung begründen, warum er von einem Scheitern der Ehe trotz fehlender Zustimmung des anderen Ehepartners ausgeht.

4. Wann entstehen Zweifel daran, dass der Antragsteller die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherstellen wird?

Sofern es keine gegenteiligen Anhaltspunkte hat, akzeptiert das Familiengericht in der Regel die Erklärung des Antragstellers, dass er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt und nicht bereit ist, sie wiederherzustellen. Die eigene, klare Aussage des Antragstellers ist für das Gericht ein wesentliches Indiz für das Scheitern der Ehe. Zweifel können jedoch entstehen, wenn das Verhalten des Antragstellers oder äußere Umstände der erklärten Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft widersprechen.

Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Trennung können insbesondere in folgenden Fällen entstehen:

  • Verhalten oder Beweise: Das Verhalten des Antragstellers oder andere Beweismittel (wie gemeinsame Unternehmungen, Kommunikation oder Versöhnungsversuche, Verhalten der Eheleute im Termin, das auf nach wie vor bestehende tiefe Zuneigung des Antragstellers schließen lässt, schlüssige Erklärungen der Gegenseite, warum die Erklärung zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht glaubhaft ist, z. B. bei einer Pro-forma-Scheidung wegen Vorteile bei Sozialleistungen) deuten darauf hin, dass die Trennung nicht endgültig ist.
  • Fortgeführtes Zusammenleben: Die Trennung wurde nicht eindeutig vollzogen, etwa durch Zeiten mit gemeinsamer Haushaltsführung, Urlaube oder regelmäßigen Kontakt oder Unternehmungen wie in einer intakten Ehe.
  • Unklare oder wechselnde Aussagen: Der Antragsteller ändert im Verlauf des Verfahrens seine Haltung oder macht widersprüchliche Angaben.

Das Gericht prüft sorgfältig, ob die Erklärung des Antragstellers zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft glaubhaft ist und mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmt. Nur dann wird das Gericht diese akzeptieren. Ein zusätzliches Indiz - neben der Erklärung des Antragstellers - für das Scheitern der Ehe ist wiederum, wenn eine neue Partnerschaft besteht.

Grundsätzlich zweifelt das Gericht nicht an der Aussage des Antragstellers, solange keine gegenteiligen Umstände festgestellt werden. Kommt es jedoch zu widersprüchlichen Situationen oder Angaben, können im Einzelfall Zweifel entstehen.

5. Was ändert sich, wenn der Antragsgegner dem Scheidungsantrag zustimmt oder einen eigenen Scheidungsantrag stellt?

Stimmt der Antragsgegner nach dem Trennungsjahr dem Scheidungsantrag zu oder stellt er einen eigenen Scheidungsantrag, greift die Regelung des § 1566 Abs. 1 BGB: Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist. Der Antragsteller braucht das Scheitern der Ehe dann nicht weiter nachzuweisen. Das Familiengericht muss in diesem Fall die Scheidung aussprechen, sofern das Trennungsjahr vorbei ist. Nach § 38 FamFG entfällt für das Gericht dann auch die Pflicht, den Ausspruch der Scheidung in dem Beschluss zu begründen.

6. Was gilt nach drei Jahren Trennung?

Nach drei Jahren Getrenntleben sieht § 1566 Abs. 2 BGB vor: Es wird auch ohne Zustimmung und eigenen Antrag der Gegenseite unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist. Das bedeutet: Nach Ablauf dieser Frist kann die Scheidung nicht mehr durch fehlende Zustimmung blockiert oder durch Argumente über die Weiterführung der Ehe verhindert werden. Die Gerichte sind dann verpflichtet, die Scheidung auszusprechen. Diese Regelung dient der Rechtssicherheit und verhindert, dass jemand dauerhaft an einer zerrütteten Ehe festgehalten wird.

7. Härtefälle - Blitzscheidung im Ausnahmefall

In besonders gravierenden Ausnahmefällen kann eine Ehe auch ohne Trennungsjahr und ohne Zustimmung sofort geschieden werden. Grundlage ist die sogenannte Härtefallscheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB. Eine solche Härtefallscheidung kommt etwa in Betracht bei schwerer häuslicher Gewalt, massiven Bedrohungen, sexueller Nötigung oder schwerwiegenden Verfehlungen gegenüber den Kindern. Die Hürden sind allerdings sehr hoch: Es muss nachweisbar sein, dass das Abwarten des Trennungsjahrs für den antragstellenden Ehegatten absolut unzumutbar wäre und die Gründe in der Person des anderen Ehepartners liegen. Das Familiengericht prüft dies streng und verlangt konkrete, substanziierte Belege.

8. Ablauf des gerichtlichen Verfahrens

Das Scheidungsverfahren beginnt mit dem Antrag eines Ehegatten. Dieser Antrag muss immer von einem Rechtsanwalt eingereicht werden (§ 114 FamFG). Nach Eingang beim Familiengericht wird der Antrag an den anderen Ehepartner zugestellt. Dieser hat die Möglichkeit, dem Antrag zuzustimmen, ihn abzulehnen oder eigene Anträge zu stellen. Lehnt er die Zustimmung ab, muss das Gericht prüfen, ob die Voraussetzungen der Scheidung - insbesondere das Getrenntleben - nachweisbar sind. In jedem Fall holt das Gericht Auskünfte zum Versorgungsausgleich ein (z. B. Rentenanwartschaften). Nach Klärung aller Punkte wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt, zu dem beide Ehegatten erscheinen müssen. Dort werden sie persönlich angehört. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen kann das Gericht die Scheidung aussprechen - auch gegen den Willen eines Ehepartners.

9. Beweispflichten und Nachweismöglichkeiten

Bei einer Scheidung ohne Zustimmung liegt die Beweislast für das das Getrenntleben und das Scheitern der Ehe beim Antragsteller.

Das Gericht akzeptiert verschiedene Beweismittel: Meldebescheinigungen, Mietverträge, getrennte Kontoführung, Zeugenaussagen von Nachbarn oder Freunden, Dokumentation neuer Partnerschaften oder Nachweise über den Auszug aus der gemeinsamen Wohnung. Besonders wichtig ist es, das Trennungsdatum plausibel und nachvollziehbar zu dokumentieren. Auch wenn der Partner das Trennungsjahr bestreitet, reicht die glaubhafte Darlegung durch den Antragsteller aus, wenn sie durch objektive Umstände oder neutrale Zeugen gestützt wird. Bei streitigen Härtefallscheidungen sind ärztliche Atteste, polizeiliche Protokolle und detaillierte Schilderungen nötig.

10. Typische Fehler und Stolperfallen

  • Unklare Dokumentation des Trennungszeitpunkts: Wer den Beginn des Trennungsjahres nicht sauber dokumentiert, riskiert unnötige Verzögerungen.
  • Fortsetzung gemeinsamer Haushaltsführung (z. B. gemeinsames Konto, Einkäufe): Dies kann die Glaubwürdigkeit der Trennung infrage stellen.
  • Verfrühte Antragstellung: Ein zu früher Scheidungsantrag (Monate vor Ablauf des Trennungsjahres) wird regelmäßig zurückgewiesen.
  • Vordatieren oder „Schummeln“ beim Trennungsjahr: Dies kann zu ernsthaften rechtlichen Problemen führen und das Verfahren verzögern oder blockieren.

11. Praktische Tipps und Handlungsempfehlungen

  • Frühzeitig anwaltliche Beratung einholen: Je früher, desto besser können Fehler vermieden und Beweismittel gesichert werden.
  • Trennungsjahr sauber dokumentieren: Führen Sie ein Trennungstagebuch, bewahren Sie Briefe, E-Mails oder Meldebescheinigungen auf.
  • Getrennte Konten einrichten und wirtschaftliche Verflechtungen lösen: Dies erleichtert den Nachweis der Trennung und schützt vor finanziellen Nachteilen.
  • Zeugen für die Trennung benennen: Informieren Sie Freunde, Verwandte oder Nachbarn über die Trennung, damit sie im Zweifel als Zeugen aussagen können.
  • Bei Härtefällen schnell reagieren: In Fällen von Gewalt oder schwerwiegenden Verfehlungen unbedingt Beweise sichern (z. B. ärztliche Atteste, Polizei) und anwaltlichen Beistand suchen.
  • Kommunikation sachlich halten: Eskalationen möglichst vermeiden - so wirken Sie glaubwürdiger vor Gericht und wahren Ihre Rechte.
  • Prüfen Sie, ob Sie Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe haben: Dies kann die finanzielle Belastung deutlich senken.

12. Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:

  • Eine Scheidung ist auch ohne Zustimmung des Ehepartners möglich.
  • Nach einem Jahr Trennung: Scheidung bei Nachweis des Scheiterns, dazu reicht i. d. R. die Erklärung des Antragstellers.
  • Nach drei Jahren Trennung: Scheidung ohne Nachweis des Scheiterns, auch gegen den Willen des anderen Ehepartners.
  • Härtefallscheidung: In Ausnahmefällen ohne Zustimmung und Mindesttrennungsdauer möglich, sofern die Eheleute getrennt sind.
  • Bei finanziellen Schwierigkeiten: Verfahrenskostenhilfe prüfen.

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